Sie ist eine Bergsport-Spätzünderin, jedoch eine, die dann so richtig durchgestartet ist. Erst 2012, mit 22 Jahren, kaufte sich Anja Blacha ihre ersten Bergschuhe, für einen Urlaub auf Island. Anfang 2015 bestieg sie mit dem 6962 Meter hohen Aconcagua in Südamerika den ersten der „Seven Summits“, der höchsten Berge aller Kontinente. Ende 2017 hatte Anja ihre Sammlung mit der Besteigung des 4897 Meter hohen Mount Vinson in der Antarktis komplett. Im selben Jahr hatte sie auch den Mount Everest bestiegen, von der tibetischen Nordseite aus, mit Flaschensauerstoff. Mit 26 Jahren war sie die bisher jüngste deutsche Frau, die den höchsten Punkt der Erde erreichte.
Erste deutsche Frau auf dem K 2
Diesen „Rekord“ könnte sie eines Tages verlieren. Doch sie wird immer die erste deutsche Frau bleiben, die den zweithöchsten Berg der Erde bestiegen hat: Vor knapp zwei Wochen, am 25. Juli, stand die jetzt 29-Jährige auf dem 8611 Meter hohen Gipfel des K 2 – und das ohne Flaschensauerstoff. Anfang Juli hatte Blacha bereits den benachbarten Achttausender Broad Peak (8051 Meter) ohne Atemmaske bestiegen. Und sie hat noch ein weiteres Abenteuer für dieses Jahr geplant: Sie möchte auf Skiern den Südpol erreichen, von der Küste der Antarktis aus.
Anja Blacha ist in Bielefeld in Nordrhein-Westfalen aufgewachsen. Heute lebt sie in Zürich. Dort arbeitet sie im Management eines Schweizer Telekommunikationsunternehmens. Nach ihrer Rückkehr aus Pakistan hat sie meine Fragen beantwortet.
Anja, erste deutsche Frau auf dem K 2 – wie fühlt sich das an für eine Bergsteigerin, deren Wurzeln in Bielefeld liegen, das gerade mal 118 Meter über dem Meeresspiegel liegt?
Ich kompensiere wohl ein wenig das, was ich in der Kindheit in Bielefeld verpasst habe. Und ich bin weiterhin erstaunt, wie wenig Expeditions-Bergsteigerinnen es immer noch in Deutschland und auch weltweit gibt – es waren wohl bislang nur ca. 30 Frauen weltweit auf dem K 2.
Du warst – wie schon am Broad Peak – ohne Flaschensauerstoff unterwegs. Wann hast du beschlossen, den K 2 ohne Atemmaske zu versuchen und was waren deine Beweggründe dafür?
Für mich war von vornherein klar, dass ich es am K 2 ohne Flaschensauerstoff versuchen will. 2017 am Everest hatte ich aufgrund meiner vorab getroffenen Vereinbarung mit dem Expeditionsanbieter später nicht die Möglichkeit, einen Aufstieg ohne Flaschensauerstoff zu versuchen, obwohl es mir in der Akklimatisierungsphase sehr gut ging und ich es dann doch gerne ohne probiert hätte. Seither habe ich mich immer wieder gefragt, ob ich es hätte schaffen können. Am K 2 wollte ich diese Frage für mich nicht unbeantwortet lassen. Man spart zudem Gewicht und ist flexibler am Berg, sollten beispielsweise Verzögerungen im Auf- oder Abstieg auftreten.
Warst du im Gipfelbereich des K 2 am Limit, womöglich sogar drüber hinaus?
Anders als am Broad Peak, wo mich ein sehr langgezogener Aufstieg recht erschöpft hat, u.a. da wir nachts in der Kälte mehrfach lange auf die Versicherung der Route warten mussten, konnte ich am K 2 in meinem eigenen Tempo gehen und habe mich dann auch im Gipfelbereich gut gefühlt. Nur eine Snack-Pause direkt vor dem Gipfel habe ich dringend einlegen müssen, da sich nach dem fast 11-stündigen Aufstieg doch vehement der Hunger meldete…
Mit der Ecuadorianerin Carla Perez und dir haben in dieser Saison zwei Frauen den K 2 ohne Atemmaske bestiegen. Wie fühlst du dich als Frau in der Bergsteigerszene, die immer wieder als von Männern dominiert beschrieben wird?
Schon von meinem Arbeitsalltag her bin ich es gewohnt, in Männerdomänen unterwegs zu sein. Allfällige Vorbehalte und stereotype Rollenbilder lassen sich im persönlichen Kontakt recht schnell überwinden, sodass ich mich meist willkommen und gut akzeptiert fühle. Gleichwohl freut es mich, zunehmend andere Frauen auf Expeditionen zu treffen – umso mehr noch, wenn diese ihre ganz eigenen Stärken am Berg einbringen.
Du hast mit 26 Jahren den Everest bestiegen, anschließend die Seven Summits vervollständigt, jetzt deine Achttausender Nummer zwei und drei angehängt, sogar ohne Flaschensauerstoff. Willst du in dem Tempo weitermachen?
Vieles hat sich so gefügt, ohne dass ich grosse Ambitionen in Bezug auf schnelles Abhaken oder überhaupt Vervollständigen von Listen hatte. Im vergangenen Jahr habe ich zudem ganz bewusst den Fokus auf den Beruf und Zeit mit Freunden gelegt, anstatt weitere hohe Gipfel zu erklimmen. Ich habe allerdings tatsächlich noch ein grösseres Projekt für 2019 geplant – zusammengenommen werde ich damit fast das halbe Jahr im Schlafsack verbracht haben. Ob ich danach endgültig genug vom Expeditionsleben habe oder es umso mehr weiterverfolgen werde, weiß ich selbst noch nicht.