Die anspruchvollsten Routen werden derzeit eher an Siebentausendern geklettert als an den 14 Achttausendern. So gelang vor einer Woche den französischen Kletterern Benjamin Védrines und Charles Duboulez ein schöner Erfolg am 7321 Meter hohen Chamlang in Nepal. Die beiden eröffneten an dem unweit des Achttausenders Makalu gelegenen Berg eine neue Route durch die rund 1600 Meter hohe, anspruchsvolle Nordwand. Sie tauften sie „À l’ombre du mensonge“ (Im Schatten der Lüge). Vom Gipfel aus stiegen die Franzosen über den Westgrat ab.
Alles gegeben
„Wir wussten, dass das Projekt ehrgeizig war: Schatten, große Höhe, Kälte, technische Passagen, schwierige Biwaks, das Ganze nur zu zweit“, schreibt Charles auf Facebook. „Aber unsere Entschlossenheit und Willenskraft waren unerschütterlich. Vier extrem intensive Tage, an denen wir versuchten, schnell zu sein, denn das ist das Kapital unseres Teams!“ Er habe das Gefühl, alles gegeben zu haben, „von den Zehen bis zum letzten Atemzug“, so der 32-Jährige.
Auch sein Teampartner Védrines musste ans Limit gehen. „Für mich war dies der anspruchsvollste Aufstieg, den ich je gemacht habe“, bilanziert Benjamin auf Facebook, „sowohl wegen der Nächte unter Spindrift (vom Wind aufgewirbelter feinkörniger Schnee) als auch wegen der Etappen, die wir bewältigen mussten.“ Der 29-Jährige war bereits zum zweiten Mal am Chamlang. Vor zwei Jahren hatte Védrines mit seinem französischen Landsmann Nicolas Jean eine neue Route durch das Nordost-Couloir des Bergs eröffnet.
Vergessene Pioniertat
2020 waren die beiden Tschechen Marek Holecek und Zdenek Hak für die Erstbegehung der kompletten Chamlang-Nordwestwand im Alpinstil mit dem Piolet d’Or geehrt worden, dem „Oscar der Bergsteiger“.
Bereits 1990 waren die beiden deutschen Bergsteiger Stefan Köhler und Bernd Eberle im Alpinstil durch die Nordwestwand bis auf eine Höhe von 6600 Metern geklettert und von dort aus über die Westwand zum Gipfel geklettert – eine Pioniertat, die leider häufig vergessen wird.