Eigentlich sollte es selbstverständlich sein. Aber was ist schon selbstverständlich in Zeiten, in denen es am Berg für manche nur noch darum zu gehen scheint, es in die Schlagzeilen zu schaffen? Nicht nur die Wahrheit bleibt dabei gerne auf der Strecke, auch die Empathie. Die Familie des im Winter 2021 am K2 ums Leben gekommenen isländischen Bergsteigers John Snorri Sigurjonsson hat die Gipfelaspiranten in dieser Sommersaison darum gebeten, Pietät zu zeigen und die Leiche Johns weder zu filmen noch zu fotografieren.
Der Körper des Isländers liegt noch im Gipfelbereich, oberhalb des so genannten „Flaschenhalses“, der lawinengefährdeten Schlüsselstelle der Normalroute auf rund 8400 Metern – eingeklinkt ins Fixseil. Dass die Bitte von Sigurjonssons Familie nicht überflüssig ist, belegen die im Internet kursierenden zahllosen Bilder der Leichen von Bergsteigern, die etwa am Mount Everest ums Leben gekommen sind.
Zeit gebraucht, um Gefühle und Gedanken zu ordnen
Die Körper von Sigurjonssons beiden Begleitern beim tödlich ausgegangenem Winter-Gipfelversuch, Muhammad Ali Sadpara aus Pakistan und Juan Pablo Mohr aus Chile, waren im Sommer 2021 nahe Lager 4 auf rund 8000 Metern begraben worden: von Muhammads Sohn Sajid und dem kanadischen Bergsteiger und Filmemacher Elia Saikaly. Sigurjonsson Familie – Ehefrau Lina Moey und die sechs Kinder – bat damals darum, John zunächst an Ort und Stelle zu lassen. „Für mich und die Familie stellte der Verlust Johns unsere Welt auf den Kopf“, schreibt Lina. „Wir brauchten etwas Zeit, um als Familie unsere Gefühle und Gedanken auszutauschen, was wir tun sollten und was auf sichere Weise von jenen getan werden konnte, die uns ihre Unterstützung anboten.“
Mingmas Angebot
Mingma Gyalje Sherpa, 2021 einer der zehn nepalesischen Wintererstbesteiger des K2, habe ihr jetzt angeboten, so Lina, Johns Körper in diesem Sommer nahe der Stelle im Schnee zu begraben, an der Muhammad und Juan Pablo vor einem Jahr bestattet wurden. Mingma habe sogar die Möglichkeit prüfen wollen, Sigurjonsson bis zum Basislager hinterzubringen, um ihn von dort nach Island überführen zu können. Die Familie wolle jedoch weder den Nepalesen noch andere Bergsteiger durch eine solche Aktion in Gefahr bringen.
Zwei Optionen
Lina bittet im Namen ihrer Familie darum, John entweder „angemessen beizusetzen“, wo seine beiden Freunde lägen – oder aber die Leiche wenigstens „weg von der Kletterroute zu bewegen, an eine Stelle, die nicht einsehbar ist“. In dieser Sommersaison haben rund 400 Bergsteigerinnen und Bergsteiger Besteigungsgenehmigungen für den K2 erworben. Darunter sollten sich doch wenigstens ein paar wenige leistungsstarke finden lassen, die dafür sorgen können, dass die Wünsche der Familie Sigurjonsson erfüllt werden. Im Namen der Empathie und Menschlichkeit, nicht der Schlagzeilen.
P.S. K2-Expeditionsteams, die Lina und ihre Familie bei ihrem Anliegen unterstützen wollen, können sich direkt an Lina Moey oder einen pakistanischen Mittelsmann wenden. Ich kann den Kontakt vermitteln.