Die Sommersaison im Karakorum neigt sich dem Ende zu. Am gestrigen Donnerstag erreichten nach Schätzungen rund 90 Teilnehmende kommerzieller Expeditionen den Gipfel des K2, des zweithöchsten Bergs der Erde. Rund die doppelte Anzahl hatte einen Gipfelversuch gemacht. Damit herrschten am K2 – wie schon im Sommer 2022 – Everest-Verhältnisse. Der pakistanische Bergsteiger Muhammad Hassan kam ums Leben, angeblich traf ihn ein abgebrochenes Eisstück im sogenannten Flaschenhals, der gefährlichen Schlüsselstelle auf rund 8000 Metern. Angesichts der Masse an Menschen, die dort unterwegs waren, und den Staus, die sich bildeten, verwundert es, dass nicht noch mehr Menschen zu Schaden kamen. Aus meiner Sicht war es einfach nur Glück, denn im Flaschenhals herrscht fast immer Lawinengefahr.
Einsam und in ganz anderem Stil als die Gipfelanwärter am K2 waren in diesem Sommer der 32 Jahre alte Südtiroler Simon Messner und der 35 Jahre alte Österreicher Martin Sieberer im Karakorum unterwegs. Wie berichtet, setzten sie mit der Erstbesteigung des nach ihren Messungen rund 7180 Meter hohen Yermanendu Kangri ein Glanzlicht, das sich vom Mainstream-Höhenbergsteigen der kommerziellen Expeditionen deutlich absetzte. Die beiden erreichten den Gipfel im Alpinstil, also ohne Flaschensauerstoff, ohne Hochträger, ohne feste Hochlager und ohne Fixseile. Um schneller zu sein, verzichteten sie darauf, sich anzuseilen. Ich habe Simon zu dem Coup befragt.
Herzlichen Glückwunsch zur Erstbesteigung des Yermanendu Kangri. Hattet ihr vor eurem Gipfelvorstoß die mögliche Route sorgfältig ausgekundschaftet oder wart ihr eher spontan unterwegs?
Wir waren sehr spontan unterwegs und haben während des dreitägigen Aufstieges Tag für Tag entschieden. Für den Gipfelaufschwung hatten wir sogar drei mögliche Wege im Kopf, uns schließlich vor Ort für die Westwand entschieden. Am Grat lag einfach zu viel Schnee und dieser war überwechteter, als wir vom Tal aus dachten.
Worin lagen die größten Herausforderungen des Bergs?
Das Gelände ist komplex. Die technischen Schwierigkeiten halten sich in Grenzen – bis auf die Abschlusswand zwischen 6500 und 7100 Metern, die 60 bis 70 Grad steil ist und unter einer Schneeschicht eisig war. Das restliche Gelände ist spaltenreich, teils lawinengefährlich und eine Stelle – zwischen Biwak 1 auf 5400 Metern und Biwak 2 auf 6250 Metern – ist von einem mächtigen Serac dominiert. Hier mussten wir schnell sein.
Ihr wart im Alpinstil unterwegs. Nach nur zwei Biwaks erreichtet ihr den Gipfel auf rund 7180 Metern. War das hohe Tempo von Beginn an geplant?
Das hohe Tempo wurde uns von einem kurzen Wetterfenster quasi diktiert. Es sollte das einzige Vier-Tages-Fenster unserer Expedition sein, somit haben wir alles richtig gemacht. Bereits in der Nacht nach der Besteigung, zurück in Lager 2, hat es erneut zu schneien begonnen, sodass wir noch bei Dunkelheit mit dem weiteren Abstieg begonnen haben. Am frühen Vormittag waren wir wieder zurück im Basislager. Der Abstieg war hart.
Ihr seid in der bis zu 70 Grad steilen Westwand ohne Seilsicherung geklettert. Hattet ihr dabei kein mulmiges Gefühl?
Nur dort, wo es wirklich eisig war. Dort kamen wir nur langsam voran, und unsere Unterschenkel haben gebrannt vor Anstrengung. Aber sowohl Martin als auch ich sind das Soloklettern sozusagen „gewöhnt“. Was der eine solo klettern kann, das kann auch der andere … wir haben das in vielen gemeinsamen Touren verinnerlicht.
Unwohl wurde uns dann beim Abstieg, weil wir die eisige Wand ja auch wieder ungesichert abklettern mussten, und vor Müdigkeit wären wir hie und da beinahe eingeschlafen. Das haben wir beide „mulmig“ in Erinnerung.
Wo ordnest du die Erstbesteigung des Yermanendu Kangri in deiner Bergsteiger-Karriere ein?
Ich wollte einmal auf 7000 Metern gestanden haben. Für mich persönlich ist es somit ein ungemein starkes Erlebnis, und genau um das geht es!
Gefühlt 99 Prozent der Bergsteigerinnen und Bergsteiger folgen inzwischen auch im Karakorum den ausgetretenen Pfaden. Fühltet ihr euch da wie Exoten?
Es ist traurig, was schon länger in Nepal und in den letzten Jahren auch im Karakorum passiert. Als Alpinist fragt man sich zwangsläufig: Was das soll? Wenn man sich einen der hohen Gipfel praktisch „erkauft“ (mit Fixseilen, Hochlagern, Trägerhilfe am Berg, künstlichem Sauerstoff aus der Flasche, Doping und jeder Menge Drogen), dann betrügt man sich doch im Grunde selbst – oder nicht? Martin und ich diskutieren viel über das Phänomen „Höhentourismus“ und fragen uns, wieso die Medien derart viel darüber schreiben. Über Besteigungen des Mont Blanc mit Bergführer wird ja auch nicht ständig berichtet. Hier gibt es noch jede Menge Aufklärungsbedarf.
Das ist einfach das wahre,echte ehrliche Höhenbergsreigen!