Tom Matthews nach Everest-Wissenschaftsexpedition: „Ein Gefühl der Demut“

Neue Wetterstation am Bishop Rock nahe dem Gipfel des Mount Everest
Neue Wetterstation am so genannten „Bishop Rock“ nahe dem Gipfel des Mount Everest

Dem Everest-Basislager auf der nepalesischen Südseite des Bergs schmilzt der Boden weg. Deshalb erwägt das Tourismusministerium in Kathmandu, künftig den Standort des Lagers vom Gletscher weg auf eisfreien Untergrund zu verlegen. Angeblich steht das Gelände hinter der letzten bewohnten Siedlung Gorak Shep zur Diskussion, auf rund 5200 Metern Höhe – zu Füßen des beliebten Hügels Kala Patthar (5645 Meter), von dessen höchstem Punkt aus viele Trekkingtouristen den Blick auf den Mount Everest genießen. Auslöser für den möglichen Umzug des Basislagers sind die Auswirkungen des Klimawandels.

„Ich erinnere mich noch gut daran, wie das Küchenpersonal vor nicht allzu vielen Jahren große Eisbrocken sammelte und in riesigen Töpfen kochte, um Wasser zu erlangen. Heutzutage können wir das Wasser direkt vom Khumbu-Gletscher holen“, schreibt Khimlal Gautam im Portal „Everest Chronicle“. Der Landvermesser, der 2011 und 2019 auf dem Everest stand, verbrachte die gesamte zurückliegende Frühjahrssaison im Basislager – als Mitglied jener Kommission des nepalesischen Tourismusministeriums, die jetzt empfahl, das Basislager in tiefere Regionen zu verlegen.

Der britische Klimawissenschaftler Tom Matthews stand in diesem Frühjahr auf dem Gipfel des Mount Everest auf 8849 Metern. Der 35-Jährige montierte mit Teamkollegen der National-Geographic-Wissenschaftsexpedition auf einer Höhe von 8810 Metern eine Wetterstation. Im Frühjahr 2019 hatte Tom bereits eine Station am so genannten „Balkon“ auf 8430 Metern installiert, die aber nur einige Monate überlebt hatte. Matthews hat meine Fragen beantwortet.

Tom, wie war es für dich als Wissenschaftler, auf dem höchsten Punkt der Erde zu stehen?

Tom Matthews (r.) am 9. Mai auf dem Gipfel des Mount Everest
Tom Matthews (r.) am 9. Mai auf dem Gipfel des Mount Everest

Es machte mich demütig, ich empfand es als ein Privileg.

Unsere Absicht war es nie, den Gipfel zu erreichen, sondern die Wetterstation erfolgreich zu installieren. Wir hatten fast vier Jahre lang immer wieder mit dem Sherpa-Team zusammengearbeitet, um dies zu ermöglichen. Als wir zu unserem Gipfelvorstoß aufbrachen, wussten wir, dass dieses Team – unter der Leitung von Tenzing Gyalzen Sherpa aus Phortse – es wahrscheinlich auch ohne uns hinbekommen würde. Die Wissenschaftler (Baker Perry, Arbindra Khadka und ich) wollten versuchen, so hoch wie möglich zu kommen – in der Hoffnung, dass eine erfolgreiche Installation noch wahrscheinlicher würde, wenn wir es bis zum Gipfel schafften. Aber wir hofften, dass es nicht von unserer Anwesenheit abhängen würde.

Je näher der Zeitpunkt rückte, desto unwahrscheinlicher wurde es, dass wir es bis zum Gipfel schaffen würden: Eine späte Änderung der Wettervorhersage führte dazu, dass wir direkt von Lager 2 (Aufbruch um 10 Uhr vormittags) nach Lager 4 aufsteigen und nur wenige Stunden später zum Gipfel aufbrechen mussten. Wir dachten, dass wir uns überfordern könnten, wenn wir höher kletterten. Aber die Sherpas waren großartig und halfen uns auf dem Weg: Sie versorgten uns mit Tee und Kaffee und packten uns in Schlafsäcke, als wir müde am Südsattel ankamen – sie waren großartig.

Wie gesagt, ich empfand Demut und fühlte mich privilegiert, als ich auf dem Gipfel stand. Denn wie alle wissen, die schon einmal auf dem Everest waren, kann der Versuch, dorthin zu gelangen, sehr teuer werden. Zu einem erfolgreichen Aufstieg gehört immer auch ein gewisses Maß an Glück. Das erstreckt sich von dem Versuch, Krankheiten zu vermeiden, bis zu der Möglichkeit, in einen Wetterumschwung zu geraten. Ich war sehr dankbar für unser Quantum Glück.

Die Wetterstation, die ihr 2019 am „Balkon“ auf rund 8.400 Metern aufgestellt habt, hat nicht lange durchgehalten. Was macht dich optimistisch, dass die neue Station direkt unterhalb des Gipfels länger überleben wird?

Tom Matthews (r.) mit seinen Forscherkollegen Baker Perry und Arbindra Khadka (l.)
Tom Matthews (r.) mit seinen Forscherkollegen Baker Perry und Arbindra Khadka (l.)

Die Station auf 8.430 Metern hat zwar nicht so lange gehalten, aber sie hat dennoch wertvolle Daten aufgezeichnet, die zu entscheidenden neuen Erkenntnissen geführt haben. Wir wissen jetzt zum Beispiel, dass die Sauerstoffschwankungen an den oberen Hängen des Everest dazu führen können, dass der Everest im Winter virtuell Hunderte von Metern niedriger oder höher wird – je nachdem, an welchem Tag man versucht, ihn zu besteigen. Diese Schwankungen, die mit dem täglichen Verlauf des Jetstreams zusammenhängen, könnten für diejenigen, die versuchen, ohne Flaschensauerstoff zu klettern, den Unterschied zwischen Erfolg und Misserfolg ausmachen. Oder zwischen Leben und Tod.

Was die neue, höher gelegene Station betrifft, sind wir jedenfalls optimistisch. Erstens ist sie mit mehr als doppelt so vielen Haken im Felsen verankert. Diese sind sehr hochwertig und dürften kaum brechen. Außerdem wurden die am meisten gefährdeten (Wind-)Sensoren aufgerüstet, um sie robuster zu machen. Wird die Station den vielleicht schnellsten Winden der Welt standhalten? Auf dem Papier ja. Aber der Jetstream könnte bei minus 50 Grad Celsius anderes vorhaben.

Auf der tibetischen Seite des Everest haben chinesische Wissenschaftler in diesem Frühjahr auf dem Weg zum Gipfel acht Wetterstationen installiert, die letzte ebenfalls nur ein paar Meter unterhalb des höchsten Punktes. Gibt es einen Wettlauf um die Wetterdaten am Everest – oder einen wissenschaftlichen Austausch?

Die gleichzeitigen Messungen beider Systeme liefern wertvolle Erkenntnisse über die Meteorologie und das Klima des Everest. Ein umfassender Ansatz ist sehr wichtig. Ich hoffe, dass das Netz von Wetterstationen auf der Nordseite des Berges zu diesem wichtigen wissenschaftlichen Projekt beitragen wird.

Du warst zum zweiten Mal nach 2019 am Everest unterwegs. Dieses Mal gab es ein ungewöhnlich lang andauerndes Schönwetterfenster. Ist das möglicherweise ein Effekt des Klimawandels?

Nepalesische Seite des Mount Everest
Nepalesische Seite des Mount Everest (vom Kala Patthar aus, 2002)

Es ist noch zu früh, um Schlüsse zu ziehen. Aber das ist genau die Art von Frage, die wir künftig mit dem Netz von Wetterstationen beantworten können sollten.

Was wir bereits jetzt sagen können, ist: Das gute Wetter im Jahr 2022 war sicherlich nicht Teil eines eindeutigen Trends. Das Jahr 2019 war ungewöhnlich, weil es so wenige Tage mit gutem Wetter hatte! Es gibt auch keinen erkennbaren physikalischen Mechanismus, der längere Perioden stabilen Wetters im Frühling auf dem Everest verursachen würde.

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