Steht die erste Winterbesteigung des zweithöchsten Bergs der Erde unmittelbar bevor? Am morgigen Samstag wird es zumindest einen Versuch nepalesischer Bergsteiger geben, den 8611 Meter hohen Gipfel des K2 zu erreichen. „Wir drei Mingmas haben es nach Lager 4 am K2 geschafft“, verkündete heute zunächst Mingma Gyalje Sherpa auf Instagram. Sona Sherpa sei 30 Meter unterhalb des Lagers umgekehrt, weil ihm Seil und anderes Material ausgegangen sei. „Wir sehen jetzt den letzten Abschnitt der Route“, so der 34-Jährige. Wenig später lobte Nirmal Purja via Instagram die „gemeinsame Anstrengung der Teams“ und kündigte an: „Ich werde später am heutigen Tag das Team anführen, dass die Fixseile bis zum Gipfel legt. Wir hoffen, dass wir dann gemeinsam am Gipfel stehen.“
Gestern hatte Mingma Gyalje Sherpa versprochen, dass er und seine nepalesischen „Brüder“ die Nation stolz machen würden. In der Liste der Wintererstbesteiger von Achttausendern fehlen bisher Namen nepalesischer Bergsteiger, was in dem Himalayastaat als Makel empfunden wird. „Ich schäme mich, darauf hinweisen zu müssen, dass acht der 14 Achttausender-Gipfel bei uns in Nepal liegen, aber kein Nepalese unter den Wintererstbesteigern ist“, sagte mir Mingma Gyalje vor seinem gescheiterten K2-Winterversuch im Januar 2020.
Neuer Winterhöhenrekord
Zu den drei Mingmas, die heute Lager 4 auf der so genannten „Schulter“ des K2 erreichten, gehören neben Mingma Gyalje Sherpa noch Mingma David Sherpa und Mingma Tenzi Sherpa aus dem Team von Nirmal „Nims“ Purja. Laut Nims steht Lager 4 auf 7800 Metern. Ist die Angabe korrekt, haben die Nepalesen damit schon jetzt einen neuen Winterhöhenrekord aufgestellt. Höher als Denis Urubko und Marcin Kaczkan im Jahr 2003 gelangte bisher noch nie ein Bergsteiger in der kalten Jahreszeit am K2: Der Russe und der Pole stiegen auf der chinesischen Nordseite des Bergs bis auf 7650 Meter.
Geballte 8000er-Erfahrung
Von Donnerstag auf Freitag hatten zehn nepalesische Bergsteiger in Lager 3 übernachtet – geballte Achttausender-Erfahrung, wie alleine der Blick auf die drei Mingmas und Nirmal Purja zeigt. Nims, ein früherer Soldat des britischen Gurkha-Regiments, sorgte 2019 weltweit für Schlagzeilen, als er alle 14 Achttausender in knapp über sechs Monaten bestiegen hatte – mit Flaschensauerstoff und einem starken Sherpa-Team im Rücken. Insgesamt stand der 37-Jährige bisher 20-mal auf Achttausender-Gipfeln, allein viermal auf dem Mount Everest.
Mingma Gyalje Sherpa blickt auf insgesamt 21 Achttausender-Gipfelerfolge zurück. 13 der 14 Achttausender hat er bestiegen, zwölf davon ohne Flaschensauerstoff. Lediglich die Shishapangma fehlt ihm noch in seiner Sammlung. Fünfmal stand Mingma – mit Atemmaske – auf dem Gipfel des Everest, zweimal auf dem Gipfel des K2: 2014 ohne Flaschensauerstoff, 2017 mit. Diesmal wolle er es wieder ohne Atemmaske versuchen, hatte der 34-Jährige vor Beginn der Expedition verkündet – übrigens als einziger der nepalesischen Bergsteiger.
Dreimal auf dem K2
Mingma David Sherpa aus Nims‘ Team hat alle 14 Achttausender bestiegen, acht davon gemeinsam mit Nirmal Purja. Insgesamt sammelte der 31-Jährige bisher 22 Gipfelerfolge an den 14 höchsten Bergen. Alleine siebenmal stand er auf dem Everest, dreimal – 2014, 2018 und 2019 – auf dem K2. Auf jede Menge Erfahrung am zweithöchsten Berg der Erde kann auch Mingma Tenzi Sherpa zurückblicken. Die „Höhen-Maschine“, wie ihn sein Expeditionsleiter Purja nannte, versuchte sich 2009, 2015 und 2016 vergeblich am K2, ehe Mingma 2018 der heiß ersehnte Erfolg gelang. Der 36-Jährige hat bisher neun der 14 Achttausender bestiegen.
Nicht weniger beeindruckend sind die vielen Gipfelerfolge der anderen sechs Nepalesen, die sich jetzt zusammengeschlossen hatten, um die Route weiter voranzutreiben: Dawa Tenzing Sherpa und Kilu Pemba Sherpa aus Mingma Gyaljes Team, Dawa Temba Sherpa und Pemchhiri Sherpa aus Nims‘ Team sowie Sona Sherpa aus dem Team von Seven Summit Treks. So erreichte beispielsweise Pemchhiri 14-mal den Gipfel des Mount Everest, Dawa Tenzing elfmal.
Gute Wetterbedingungen am Samstag
An mangelnder Achttausender-Erfahrung wird es also nicht liegen, sollte der Gipfelversuch am K2 aus dieser bärenstarken Gruppe heraus scheitern. Wahrscheinlich auch nicht am Wetter: Nach wie vor sagen die Meteorologen für morgen ruhiges Winterwetter mit sehr wenig Wind voraus. Ab Sonntag soll es dann aber wieder deutlich ungemütlicher werden. Als Gipfeltag kommt also eigentlich nur Samstag in Frage und danach: Nichts wie ab nach unten!