Ralf Dujmovits nach Manaslu-Expedition: „Den meisten fehlt es an Eigenverantwortung“

Ralf Dujmovits am Larke Pass
Ralf Dujmovits

Enttäuscht, traurig, müde. So beschreibt Ralf Dujmovits seine Gefühlslage nach seiner gescheiterten Expedition zum Achttausender Manaslu im Westen Nepals. Enttäuscht, weil er gleich drei Gipfelversuche wegen schlechten Wetters abbrechen musste. Traurig über die Unfälle am Berg mit Toten und Verletzten. Müde, weil ihm der Abstieg in höchster Lawinengefahr in den Knochen steckt. „Es hat den ganzen Tag ums herum gezischt. Hier ein Anriss, dort ein Anriss, große Schneebretter wurden ausgelöst. Der Abstiegstag war ein Horror“, sagt mir Deutschlands erfolgreichster Höhenbergsteiger nach seiner Rückkehr. „Deshalb bin ich immer noch so erledigt.“

Fokussierung kaum möglich

Manaslu mit Windfahne
Manaslu mit Windfahne

Seinem Ziel, den „True Summit“ des Manaslu, den allerhöchsten Punkt auf 8163 Metern, ohne Flaschensauerstoff zu erreichen, ist Dujmovits nicht nahegekommen. Über Lager 4 auf rund 7400 Metern gelangte er nicht hinaus. „Natürlich hat es mich gewurmt“, räumt Ralf ein. „Ich hatte mich körperlich wirklich gut vorbereitet. Und wenn du dann so viel Zeit und Aufwand investiert hast, bist du enttäuscht und traurig. Aber es war noch viel anderes drumherum, was es mir kaum möglich gemacht hat, mich vollständig zu fokussieren.“

So seien während der Expedition zwei Teammitglieder mit Dengue-Fieber ausgeflogen worden. Dann die Lawinenunglücke, bei denen die Nepalesen Anup Rai und Dawa Chhiring Sherpa sowie die amerikanische Skibergsteigerin Hilaree Nelson ums Leben kamen und Dutzende Bergsteiger verletzt wurden. „Ich bin nicht so abgebrüht, dass es mir nicht nahe geht, wenn Sherpas, mit denen ich unterwegs war oder die ich kenne, verletzt werden oder sogar sterben“, sagt der 60-Jährige.

Noch nie auf der Frontzacke

Schlange beim Aufstieg, zwei parallele Seile
Parallele Seile

Dass sich mehrere hundert Bergsteigerinnen und Bergsteiger in dieser Herbstsaison am achthöchsten Berg tummelten, hat Dujmovits nach eigenen Worten „als nicht so tragisch empfunden“. An technisch schwierigeren Stellen habe es sich zwar zunächst gestaut. Dann seien dort aber zusätzliche, parallele Fixseile gelegt worden, auf die man ausweichen konnte. „Teilweise habe ich in solchen Passagen 20 bis 30 Leute überholt.“  

Über viele Gipfelaspiranten kann Dujmovits nur den Kopf schütteln. „Ich finde es fragwürdig, mit welcher Einstellung manche an den Berg gehen. Da gab es Leute, die noch nie auf der Frontzacke ihrer Steigeisen gestanden haben“, sagt Ralf. „Sich einen Achttausender auszusuchen, um den ersten Versuch auf der Frontzacke zu machen, empfinde ich als Unverschämtheit gegenüber den anderen. Zudem waren Leute dort, die dem Berg konditionell bei weitem nicht gewachsen waren.“

Er habe zum Beispiel beobachtet, wie ein erfahrener Sherpa eine liegende chinesische Kundin eine Bergkuppe hinuntergezogen habe, weil ihr die Kraft fehlte zu laufen. „Das waren Dinge, die mich gefrustet haben. Ich habe mich gefragt: Was machen diese Leute hier? Wenn du nicht die minimalen Voraussetzungen mitbringst, um ein einigermaßen angemessenes Tempo zu gehen, bringst du andere Leute in Gefahr. Das ist einfach nur unvernünftig. Diese Leute denken nur an sich. Für ihren Egoismus fehlt mir jegliches Verständnis.“

Zu zehnt im Zwei-Mann-Zelt

Ralf Dujmovits im Hochlagerzelt
Ralf Dujmovits im Hochlager-Zelt

Als Dujmovits auf Lager 4 mit zwei Teamgefährten darauf wartete, dass der starke Wind abflaute, wurde plötzlich der Reißverschluss des Zeltes geöffnet. „Vier Leute mit Flaschensauerstoff setzten sich einfach in die Apside. Etwas später ging auch auf der anderen Seite das Zelt auf, und drei weitere kamen dazu. Da waren wir plötzlich zu zehnt in einem Zwei-Mann-Zelt.“ Der Pakistaner Sirbaz Khan habe ihm berichtet, dass sich in seinem Zelt sogar 15 Leute gedrängt hätten.

Viele hätten – mit Flaschensauerstoff, ohne Zelt – von Lager 3 direkt zum Gipfel steigen wollen, seien dann aber vom Wind gestoppt worden. „Dann steigen sie eben in die Zelte der anderen Leute. Du kannst ja nicht sagen: ‚Nein, ihr bleibt draußen!‘, wenn es dort mit 50 Stundenkilometern bläst und es minus 20 Grad oder kälter ist“, sagt Ralf. „Aber solche Sachen gehen einfach nicht. Ich muss autark sein am Berg. Diese Eigenverantwortung geht fast jedem dort oben ab.“ Viele hätten inzwischen nicht nur einen, sondern zwei oder mehr Sherpas an ihrer Seite.

Dujmovits verschweigt nicht, dass er selbst von einem Sherpa des Imagine-Nepal-Teams unterstützt wurde: zunächst von Tashi Sherpa, bis dieser bei der Lawine am 26. September verletzt wurde, dann von Angdu Sherpa. Beide hätten ihren Job sehr gut gemacht. „Früher hätte ich mir das niemals vorstellen können, aber als nicht mehr ganz taufrischer 60-Jähriger habe ich es sehr geschätzt“, räumt Ralf ein. „Ich hatte jemanden, der sich auf mein Tempo eingestellt hat. Er wäre da gewesen, wenn etwas passiert wäre. Entweder hätte ich ihn oder er mich aus der Spalte gezogen. Und er hat einen Großteil meines Gepäcks getragen.“

Mehr als vier Kilometer Fixseile

Bergsteigerschlange am Manaslu
Viel los auf der Route

Vom sogenannten „Crampon Point“ auf rund 5100 Metern – der Stelle, an der man die Steigeisen anlegte – bis zum Gipfelplateau sei die Route fast durchgängig mit Fixseilen gesichert gewesen. „Ich schätze, dass bis hinauf nach Lager 4 vier bis fünf Kilometer Seile verlegt wurden.“ Dujmovits ist nach eigenen Worten skeptisch, dass die Seile nach der Saison auch wieder komplett entfernt werden.

Mit dem Müllmanagement am Manaslu war der deutsche Bergsteiger aber im Großen und Ganzen zufrieden. „Da hat sich im Vergleich zu früheren Jahren einiges getan“, lobt Ralf. „Ich habe mir zum Beispiel das Lager von Furtenbach Adventures (österreichischer Expeditionsanbieter) angesehen, nachdem das Team abgereist war. Da hast du nichts mehr gesehen. Das war alles in Ordnung.“

Kein Heli-Doping beobachtet

Zelte von Neuschnee begraben
Im Neuschnee versunken

Was sich im Vergleich zu früher auch geändert hat, ist der Einsatz von Hubschraubern. „Im Basislager war bei gutem Wetter Dauerflugbetrieb“, berichtet Dujmovits. „Auf den zwei Landeplätzen waren teilweise vier bis fünf Helikopter im Einsatz, um Menschen zum Basislager oder von dort wegzubringen.“

Immerhin habe es kein „Heli-Doping“ gegeben, sagt Ralf. „Ich habe nicht erlebt, dass Leute nach Lager 1 oder 2 geflogen wurden.“ Oberhalb des Basislagers seien die Hubschrauber nur für Rettungseinsätze genutzt worden. „Im Hochlager auf 6600 Metern haben einige von uns teilweise in den Zelten gesessen und sie festgehalten, damit die Zelte nicht durch die Luftverwirbelungen der Rotoren wegflogen.“

Die Rückreise nach Deutschland verlief im Gegensatz zur Expedition völlig problemlos. Vier Tage nach seinem gescheiterten Gipfelversuch saß Ralf Dujmovits bereits wieder in seinem Haus in Bühl am Rande des Schwarzwalds. Jetzt gehe es für ihn darum, wieder zu Kräften kommen – und das am Manaslu Erlebte zu verarbeiten, sagt Ralf: „Ich muss das erstmal sacken lassen.“

Eine Antwort auf „Ralf Dujmovits nach Manaslu-Expedition: „Den meisten fehlt es an Eigenverantwortung““

  1. Unfassbar, was da für „Bergsteiger“ vor Ort sind. Bringen andere mit ihrer Ignoranz und Inkompetenz in Gefahr.

Kommentare sind geschlossen.

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